Mittwoch, 30. September 2015

Jewel, Picking up the Pieces und Never Broken – Songs Are Only Half the Story

Picking up the Pieces
Die amerikanische Sängerin und Songschreiberin Jewel ist seit 1994 im Musikgeschäft. Ihr Debüt „Pieces of You“ war bei seinem Erscheinen im Jahr 1995 ein völlig aus der Zeit gefallenes leises und jugendliches Folk-Album. In der Spätphase des Grunge und der Zeit der aufkommenden Girl-Bands (Spice Girls u.a.) schien ein Album, das sparsam instrumentiert war und so die Stimme und die nachdenklichen und letztlich optimistischen Texte der Künstlerin in den Vordergrund stellte, unzeitgemäß. Vielleicht war es aber auch gerade dieses Unzeitgemäße, was „Pieces of You“ zu einem der erfolgreichsten Debütalben der Musikgeschichte werden ließ. Auf den folgenden Alben zeigte Jewel immer neue Facetten ihres musikalischen Schaffens. Vom Folk-Pop, der sich mit Country-Elementen anreicherte („Spirit“ und This Way“) zu tanzbarem Pop mit zeitkritischen Texten („0304“), zurück zu Folk-Pop/-Rock („Goodbye Alice in Wonderland“), hin zu reiner Country-Musik („Perfectly Clear“ und „Sweet and Wild“) beglückte sie ihre Fans immer neuen Überraschungen. Vielleicht wurden diese Volten von einigen Fans auch als Zumutungen empfunden. Die regelrechte Verehrung, die Jewel von vielen ihrer Fans entgegengebracht wird, beruht v.a. auf ihren ersten beiden Alben. Und so muss es eine große Freude für viele ihrer Anhänger gewesen sein, als Jewel in diesem Sommer ankündigte, dass ihr neues Album eine Rückkehr zu ihren musikalischen Wurzeln bringen würde. Schon der Titel „Picking up the Pieces“ zeigt einen deutlichen Bezug zu ihrem Erstwerk. Das neue Album ist aber viel mehr als ein plattes „Pieces of You 2“. „Picking up the Pieces“ zeigt zumindest in Spuren alle Elemente ihres bisherigen musikalischen Schaffens. Den Rahmen bildet in der Tat wieder sparsam, aber effektiv instrumentierter Folk. Doch auch vor musikalischen Experimenten scheut Jewel nicht zurück. So überrascht „His Pleasure Is My Pain“ mit asiatisch anmutenden Klängen und „Nicotine Love“ mit Dreißigerjahre-Kabaret-Elementen. Kein Song fällt qualitativ ab oder strengt an, dennoch ist auch kein Song „cheesy“. Zwei Duette (mit Rodney Crowell auf „It Doesn’t Hurt Right Now“ und der nicht völlig unbekannten Dolly Parton auf „My Father’s Daughter“) runden dieses insgesamt hervorragende Album ab.


Never Broken – Songs Are Only Half the Story
Zu ihrer Autobiographie „Never Broken – Songs Are Only Half the Story” kann ich bisher nur Vorläufiges sagen, da ich das Bucher erst vor wenigen Tagen erhalten habe. Aber die ersten Leseeindrücke waren überaus positiv. In einem sehr angenehmen persönlichen Ton erzählt Jewel von ihrer Kindheit und Jugend und der Entwicklung ihrer Karriere und ihres Lebens als Erwachsene. Die junge Jewel Kilcher hatte zunächst keine vielversprechenden Voraussetzungen für einen erfolgreichen Lebensweg. Aufgewachsen bei ihrem trinkenden und cholerischen Vater in einer Blockhütte in Alaska, die Eltern geschieden, war ihr nichts in die Wiege gelegt als ein großes Talent und die Musikalität, die in ihrer Familie Tradition hatte. Als Jewels erste beiden Alben erfolgreich wurden, übernahm ihre Mutter das Management, sodass sich die Künstlerin ganz auf ihre Musik konzentrieren konnte, im Vertrauen, dass ihre Mutter alles Geschäftliche zum Wohl ihrer Tochter regeln würde. Es entstand in den folgenden Jahren ein regelrechtes Jewel-Firmen-Imperium. Anfang der 2000er Jahre allerdings begann Jewel Fragen nach all dem Geld, das sie verdient haben musste, zu stellen. Wie sich herausstellte, waren die Firmen, die ihre Mutter in Jewels Namen gegründet hatte, schon mehrmals bankrottgegangen. Somit war im Jahr 2003 kein Vermögen mehr verfügbar war, sondern ein Schuldenberg abzubezahlen. Jewel war nach drei erfolgreichen Alben nicht viel weiter als zu Beginn ihrer Karriere. Immerhin hatte sie nun einen Namen in der Musikwelt, mit dem sich weitere Projekte auf die Beine stellen ließen.
Jewels Autobiographie liest sich auch schon beim Querlesen als ein Auf und Ab, ein Pendeln zwischen Erfolg und Niederlage im Geschäftlichen wie im Privaten. Soweit ist ihr Lebensweg letztlich nichts Außergewöhnliches, allerdings vermag diese Autobiographie den Leser zu fesseln, weil Jewel interessant erzählt, Songtexte und Gedichte in den Text einflicht, und stets einen hoffnungsvollen Ton anschlägt, der nahelegt, dass die Verfasserin tatsächlich nie gebrochen worden ist.

Das Album „Picking up the Pieces“ soll am 30. Oktober in Deuschland erscheinen. Die Autobiographie "Never Broken" ist seit dem 15. Oktober erhältlich. Beide Titel sind schon jetzt über die Website der Künstlerin verfügbar.